Patrick beim Swissman - Bericht von Patrick Druckbutton anzeigen?
Geschrieben von: Beate Ambacher   

Buckle up - that's gonna be a long report

Am Donnerstag fuhren Maja, Eva, Lasse und ich Richtung Ascona. Warum so viele?
Beim Swissman muss man alles selbst organisieren. Keine Verpflegungsstelle auf der
Radstrecke und das Rennen ist ein Point-to-Point Race. Start in Ascona, Finish auf
der kleinen Scheidegg ziemlich genau 226km weit entfernt.

Nach einer kurzen Nacht, wir mussten um 02:00 aufstehen, ging es die Wechselzone
einrichten. Kurzer Schnack und dann ging es auch schon auf das Schiff. Dort unterhielt
ich mich mit zwei Swissman Finishern und einem Norseman Finisher - Schiss in der
Buxe ist zu wenig gesagt. Das Boot fährt zu den Brissago Inseln, von denen man durch
den Lago di Maggiore nach Ascona schwimmt. 3,8k geradeaus in der Dunkelheit, als
einzige Orientierung dient eine Positionsleuchte am Ausstieg. Das Schwimmen war
dann auch schon lustig.2018_06_Patrickhalli_swissman

 Durch ein paar Boote und etwas Wind gab es ziemliche Wellen und man konnte nicht immer das Licht sehen. Ich habe eine halbe Stunde gebraucht um zu raffen, dass ich auch einfach auf den Bergkamm oberhalb der Wechselzone zuhalten kann... Naja, so ist das halt morgens um 5:00.

Nach soliden 1:13 in Wasser entstieg ich den Fluten und ging erst mal gemütlich pinkeln, sowas muss ja nicht auf dem Rad sein. Gemeinsam mit Maja zog ich mich in Ruhe an und schwang mich aufs Velo (hihi - I bims 1 Schweiza). Kontrolliert begann ich die ersten "flachen" 60k. "Flach" weil ich bei Kilometer 70 schon knapp 1000hm hatte, dafür aber auch einen 32er Schnitt - alles bestens. Dann begann das Drama. Meine Supporter hatten mich an einer vorgegebenen Verpflegungsstelle verpasst und ich hatte sie daher fast 3h nicht gesehen. Panik stieg in mir auf und ich rief Maja an. Sie versicherte mir bei der nächsten Station zu stehen - da waren sie allerdings nicht. Da wurde ich endgültig hektisch. Allerdings durfte ich auch gleich den Swissman-Spirit erleben. Ich fragte ein anderes Supporter-Team nach Wasser und mir wurde sofort geholfen und noch dazu alles Mögliche andere angeboten. Das war dann auch der einzige kleine Stolperer in einem ansonsten perfekten Support. Was die drei dann leisteten war wirklich unglaublich.

Der erste Pass stand an - Gotthard über die Tremola. Kurz vor dem Beginn kam ich in eine Kuhherde und musste stehen bleiben. Bei jedem anderen Rennen wären hier die Leute ausgeflippt - nicht so beim Swissman. Alle blieben locker, scherzten und ließen sich nicht aus der Ruhe bringen. Als es dann weiter ging, verpasste ich erneut das Supportauto, da es auf der anderen Seite der Kühe stand - naja.

Ab auf die Tremola - 4km Kopfsteinpflaster und 300hm. Erschwerend kam ein unglaublich kalter Fallwind vom Gipfel dazu, der einen so dermaßen ausbremste, dass die Leute nur noch lachen konnten. Oben auf dem Gotthard angekommen traf ich das erste Mal wirklich mein Team und füllte alles auf. Gabba Jersey an und ab in die wilde Abfahrt. Leute, ich habe noch nie so sehr gefroren (okay doch, zwei Abfahrten später war auch schlimm)

Ab dann begann leider meine Leidensgeschichte. Irgendwie drehte es mir den Magen um. Dementsprechend sanken auch die Wattwerte auf dem Weg zum Furkapass und meine Wahrnehmung wurde etwas getrübt (besonders lustig wenn es neben der Straße 20 Meter runter geht). Ab diesem Zeitpunkt konnte ich kaum mehr trinken und essen ging nur unter Qualen. So kam ich sichtlich fertig oben an und erkannte in den Augen meiner Supporter Angst, ob ich es überhaupt schaffen würde. Trotzdem ging es weiter, warm einpacken und bergab. Da wurde es endgültig kriminell. Ich fror so sehr dass ich am ganzen Körper zitterte und mein Rad zu wackeln begann. Der Grimselpass ist dann "nur noch" ein kurzer 500hm Anstieg den ich halbwegs überlebte um in die letzte Abfahrt zu gehen. Auch hier wieder das alte Spiel, frieren wie Sau und sobald es flach wurde schwitzen. Auf den letzten 15 flachen Kilometern zur Wechselzone gab es dann einen höllischen Gegenwind. Normalerweise nimmt man hier den Kopf runter und ballert. Ich konnte aber nicht mehr und zuckelte mit 25kmh dahin, wurde zu meiner Verwunderung aber nicht überholt.

In T2 Dann die Nachricht, ich war insgesamt auf Platz 62. Eigentlich geht es beim Swissman überhaupt nicht um Zahlen oder Vergleiche, dieser Zwischenstand erfreute mich aber, da ich immer etwas Angst vor dem Time-Cut hatte.

In der Wechselzone gab es dann einen gemütlichen Plausch und komplett neue Klamotten inklusive Trinkrucksack. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich seit ein paar Stunden kaum mehr etwas getrunken und fast nichts gegessen. Ich fragte mich also konstant wann ich einfach umkippen würde. Aber solche Gedanken muss man ausblenden und los laufen. Gelaufen bin ich ganze 300 Meter dann stieg die Strecke stark an und ich stieg auf gehen um. Laufen am Berg macht bei einer solchen Nummer einfach keinen Sinn. Ein erstes Highlight folgte dann auch gleich, man lief hinter einem Wasserfall vorbei - Wahnsinn.

Halbwegs beschwingt trank ich etwas und quälte mir ein Gel rein und rollte weiter. Irgendwie muss ich da schon nicht mehr ganz auf der Höhe gewesen sein, denn ich bin von der Strecke abgekommen und falsch abgebogen. Nach 2 Kilometer lief ich wieder auf die Strecke und habe erst dann realisiert dass irgendetwas schief gelaufen (hihi) ist. Ab dann gab es vollkommenes Chaos in meinem Kopf, da ich einen GPS-Tracker dabei hatte war klar, dass man nachvollziehen kann, dass ich die Strecke verlassen hatte und eigentlich steht auf sowas die Disqualifikation. Ich war dementsprechend fertig. Bei Kilometer 14 traf ich dann auf meine Freunde und eine sichtlich besorgte Maja. Ich schilderte was passiert war und wurde beruhigt, dass ich sicher nicht disqualifiziert werde. Ich schaute trotzdem noch 5 Mal in den Livetracker, ob ich raus war. Die Angst wurde mir auch erst genommen als ich bei Kilometer 34 Dominik dem Laufleiter meinen Fehler berichtete und er nur lachte und mich beruhigte "Awas, da kann man nicht abkürzen, für sowas wird man nicht disqualifiziert".

Zurück zur km 14. Ich konnte auf Grund meiner Übelkeit nicht mehr laufen und so ging Maja einen guten Kilometer mit mir und wir vereinbarten, dass sie ab Kilometer 24 mitlaufen würde. Ich quälte mich irgendwie weiter und wurde immer noch nicht großartig überholt. Scheinbar hatten alle Probleme. Bei Kilometer 23 wurde es dann aber grenzwertig. Maja war mir etwas entgegen gegangen und ich konnte schon nicht mehr richtig geradeaus laufen. Daher beschlossen wir in der Verpflegungszone kurz Pause zu machen. Dort hatte Maja noch ein paar der Helfer motiviert mich anzufeuern. Ich lief ziemlich blass an ihnen vorbei, bedankte mich und ging ins Dixi um mich zu übergeben. Dann legte ich mich auf die Isomatte in den Schatten und dachte mein Rennen sei beendet. Erbrechen, keine Energie aufnehmen und hinlegen ist normalerweise ein Todesurteil. Aus Respekt vor der Situation gibt es davon auch kein Foto - alle dachten, dass es das für mich gewesen war. Aber irgendwie bekam ich die berühmte zweite Luft (oder die 23ste an diesem Tag). Ich stand wieder auf, Lasse und Eva flößten mir geschüttelte Cola und Energy-Waffles ein, während Maja sich bereit machte und meinen Trinkrucksack nahm. So gingen wir auf die letzten 10 bis Grindelwald. Warum ich dann auf ein Mal wieder konnte, kann ich mir nicht erklären. Abwechselnd gingen und liefen wir (immerhin 6:30 Pace beim Laufen) und kamen mega gut voran. Gemeinsam pushten wir uns und begannen wieder Leute zu überholen.

An der Kontrolle am Fuß der kleinen Scheidegg trafen wir wieder auf Lasse und Eva. Nach dem Gespräch mit Dominik, gingen wir es an. 8k / 1000hm - let's do this. So war die Stimmung für 20 Minuten, dann ging es mir wieder schlechter. Auch eine kurze Pause half nicht viel und wir kamen nur noch langsam voran. Zur Bestätigung dass es uns allen schlecht ging ereigneten sich noch folgende Begebenheiten. Eine Athletin überholte mich, nur um sich 10 Meter später in die Büsche zu übergeben. Dann konnte sie ungefähr 5 Minuten nicht alleine stehen nur um mich anschließend - ohne gestützt zu werden - wieder überholte.
So kämpften wir uns über extrem steile Passagen nach oben während es immer kälter wurde. Ich erinnere mich ehrlich gesagt nicht mehr an alles.

Womit ich mir aber gänzlich sicher bin ist, dass ich wie die nebenan fahrende Bergbahn, absolut gerade und zielstrebig den Berg erklommen habe. Lasse behauptet zwar, dass ich getorkelt bin und mich nur wir ein Boxer kurz vorm KO Fortbewegen konnte aber das kann eigentlich nicht sein. Auch dass immer jemand hinter mir gegangen ist, um mich im Notfall zu halten, entzieht sich meiner Kenntnis.
Dazu passt vielleicht auch ein Spruch von mir zu der Zeit: "Leute, ihr merkt es vielleicht nicht, aber mir geht es ziemlich beschissen" die Lacher meiner Gang hatte ich damit auf mich gezogen. Irgendwann zeigten sich auch bei Maja Ermüdungserscheinungen. Aus dem Stand einfach mal 20k mit etlichen Höhenmetern laufen ist einfach nur krass und hat meine absolute Hochachtung verdient. So übernahm Lasse alle Rucksäcke und Eva postierte sich hinter Maja, damit wir sicher oben ankommen würden.

Die letzten Meter zogen sich dann auch noch mal wie Kaugummi. Ich war mir nicht ganz sicher (alle anderen natürlich schon) ob wir wirklich zu dem ultra weit entfernten Licht mussten und so liefen wir mit Stirnlampen bewaffnet durch die Nacht.

Als das Ziel ist Sicht war probten wir kurz unseren Zieleinlauf (muss ja für die Kameras gut aussehen) und gingen ziemlich fertig über die imaginäre Linie. Besonders emotional war dieser Moment leider nicht, ich war einfach nur froh, dass es vorbei war. Als ich im Ziel angesprochen wurde, wie ich es denn so fand, konnte ich wenig positives berichten, dazu war der Tag für mich einfach zu schlimm.

So fand der emotionale Zieleinlauf für mich erst am nächsten Tag, bei der Zeremonie oben auf der kleinen Scheidegg, statt. Stilecht untermalt mit Alphörnern, mitten in ein atemberaubendes Panorama, konnte ich es genießen ein Swissman zu sein.

Was dann auch wieder auffiel war der besondere Spirit dieses Events. Jeder war entspannt, keiner meckerte und es wurden Gruppenfotos mit allen Finisher, aber auch mit den Supportern und dann nur von den Supportern alleine gemacht. Mein Dank geht hier auch noch mal an alle Helfer und Veranstalter raus, was da geleistet wurde ich einfach nur krass. Das Ganze dann auch noch ohne kommerziellen Hintergedanken, nur aus der Liebe zu unserem Sport – sowas gibt es selten.

Zum Abschluss kommen wir zu meinem Team – was eine unglaubliche Leistung habt ihr vollbracht!!! Maja, die mich schon Monate vorher unterstützt hat, es akzeptiert hat, dass wir nicht wie normale Pärchen Sonntagsmorgens ausschlafen und vielleicht gemeinsam frühstücken gehen. Diese Leistung konnte dann nur im Wettkampf getoppt werden als sie einfach mitlief, meinen Rucksack trug und mich motivierte doch noch weiter zu gehen auch wenn sie zwischenzeitlich Angst hatte, dass ich so nie das Finish schaffen würde. Weltklasse Leistung und es hat uns wieder ein Stück näher zusammen gebracht.

Lasse und Eva, ihr beiden habt euch einfach so 4 Tage für mich um die Ohren gehauen, das ist ein Freundschaftsdienst zu dem wohl nur sehr wenige bereit wären. Wie Lasse dann die Alpen im Auto erklommen hat und Eva den DJ und die Motivatorin gegeben hat, war mega lustig mitzuerleben. Wie wir ja schon im Anstieg festgestellt haben, auch der Support braucht einen Support und der wart ihr 17:16 Stunden lang. Ohne euch wären wir da wohl schwer hochgekommen J

Auch euch die diesen Bericht hier lesen und meinen Erlebnissen auf meinem Blog folgen möchte ich danken! Ihr habt mir so viele motivierende Nachrichten geschickt, dass ich davon wahrscheinlich noch 3 Swissman zehren könnte :D

Jetzt bleibt mir nur noch zu sagen: Peace out – Ich bin jetzt Golfer

Zuletzt aktualisiert am Montag, den 02. Juli 2018 um 14:28 Uhr