Mission: Von Turm2Turm - Bericht von Roland Druckbutton anzeigen?
Geschrieben von: Beate Ambacher   

Und hier jetzt ein kleiner Bericht von unserer Radtour „Turm2Turm“. Die Idee dazu entstand im letzten Winter anlässlich „Festive 500“. Als die Tour bei Komot eingegeben war stand dort 515 km, 3.840 hm, 22,15 h Fahrzeit, schwere Rennrad-Tour. Und Komot sollte Recht behalten! Also packten wir – das waren Thomas, Claas, Philipp, Florian und ich - der in orange :-), alles in den VW-Bus und zusammen mit Doro ging es ab nach Paris ins Hotel um am Samstag, den 01.07. um 10:00 Uhr am Eiffelturm die Tour zu starten...

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Der Plan sah vor, dass wir die Pausen lediglich auf das Kleiderwechseln und Verpflegen vor und nach der Nacht beschränken wollten. Dafür hat sich meine liebe Frau bereit erklärt uns mit dem Bus unterwegs zu treffen. Tausend Dank! Die Wettervorhersage war mit 80% Regenwahrscheinlichkeit für Samstag nicht sehr freundlich. Allerdings sollte es ab ca. 16:00 Uhr aufhören zu regnen. Na immerhin! Nach einem kurzen Frühstück und aufgeregtem Räderpacken standen wir dann pünktlich um 10:00 Uhr bereit um das obligatorische Gruppenbild vor dem Eiffelturm zu machen … erwartungsgemäß in strömendem Regen!

Los ging`s und 5 Räder rollten gegen Westen. 5 Räder sind 500% Chance auf einen Defekt. Da Statistik nie lügt ist dann auch schon bei km 1,2 das nagelneue Goldkettchen von Philipp gerissen. Natürlich hatten wir alles dabei. Mäntel, Schläuche, Brems- und Schaltzüge, etc. Nur ein Kettenschloss für eine 11-fach Kette eben nicht. Aber Florian, unser einziger 10-fach Fahrer hatte ein 10-fach Kettenschloss im Gepäck. Rein damit und weiter ging`s. Damit ist ein für alle Mal geklärt: 10-fach Kette und 11-fach Ritzel sind kompatibel. Auch wenn Philipp sich erst nach einigen Kilometern das erste Mal zu schalten traute. Paris ist groß, die Straßenkreuzungen häufíg und an jeder steht eine rote Ampel. Damit war klar, dass die später über Land führenden einsamen, geraden Straßen für die Verbesserung des Schnitts herhalten mussten. Aber zunächst fanden wir noch einen Radhändler wo hektisch Ersatzteile gekauft und sogar der Erwerb teurer Regenjacken kurz in Betracht gezogen wurde. Der Regen war, zumindest für den ersten Teil der Tour, ein recht konstanter Begleiter und ein bestimmendes Merkmal. Teilweise hat es so sehr geschüttet, dass wir uns kurz unter Häuserarkaden verkrochen haben. Die Wettervorhersage ließ uns ja auf nachmittagliche Besserung hoffen. Wirklich aufgehört hat es dann aber erst gegen 20:00 Uhr. Fazit: wer etwas länger im Regen fährt braucht alles nur keine teure Regenkleidung, denn auch die gibt irgendwann ihre Bestimmung komplett auf. Ansonsten verlief die Fahrt ruhig und konstant. Die starken Fahrer übernahmen die Führungsarbeit und die dahinter schluckten das aufgewirbelte Dreckwasser.

Hat man erst einmal den Speckgürtel von Paris hinter sich wird es auch schön einsam und ruhig. Die Straßen führen abwechselnd geschwungen und wellig durch Wälder und über Wiesen um dann wieder schnurgerade über kahles Land zu ziehen. Eine sehr eigene Landschaft, die durchaus ihre Reize hat. Unsere größte Freude war der konstante Westwind, der uns ein zügiges Vorankommen bescherte. Nach 11 Stunden, 240 km und 1.700 hm trafen wir dann kurz vor Dämmerung auf den VW-Bus, mit dem Doro an einer fast schon romantischen Ecke auf uns wartete. Kleiderwechsel kann so herrlich sein, wenn du nass und kalt diese aber trocken und warm sind. Mein einziger Gedanke zu diesem Zeitpunkt kam fast wie ein kleines Stoßgebet: ich wünsche mir eine trockene Nacht! Leider fiel hier auch die Entscheidung das Claas für die restliche Fahrt den Bus nimmt. Er hatte heftige Knieschmerzen. Auch mit Schmerzmittel.

Also Räder noch einmal gecheckt, Essen reingeschoben, Waser aufgefüllt, Stimmung aufgemöbelt, Doro und Claas verabschiedet und ab ging es in die Nacht. Das war für uns alle Neuland. Noch nie hatte jemand von uns vorher eine ganze Nacht durchfahren. Überhaupt hatte noch niemand von uns solch eine Strecke am Stück absolviert. Entsprechend aufgeregt waren wir zu diesem Zeitpunkt auch. Was würde passieren wenn es dunkel und wir müde werden? Wenn die Konzentration verloren geht und wir gegen den Schlafentzug kämpfen? Solche und ähnliche Gedanken erfüllten unsere Köpfe als wir in die Dämmerung rollten. Philipp war der erste der so kurz vor Mitternacht den Wunsch nach Koffein laut werden ließ, was uns im nächsten Kaff zur Einkehr in die Sports-Bar brachte. Laut Türschild bis 22:00 Uhr geöffnet. Alle Stühle längst gestapelt, das Licht gedämmt standen 4 tätowierte, gespenstige Gestalten trinkend am Tresen und staunten nicht schlecht, als wir kurz nach Mitternacht jeder einen Kaffee und ein Cola verlangten. Als wir auf die Frage woher wir denn jetzt so mitten in der Nach kämen kurz „Paris“ antworteten, viel das Muskelpaket hinter dem Tresen fast vom Glauben ab. Das Ganze endete in lautem Gelächter. Das Cola war köstlich, der Kaffee ging sogar auf`s Haus und wir nahmen wieder Fahrt auf. So eine Nachfahrt konzentriert sich im Wesentlichen auf den Mikrokosmos deines Lichtkegels und das Gespräch mit deinem Mitfahrer. Viel mehr gibt es nicht zu tun und trotzdem ist es total kurzweilig. Die Zeit verging im Flug und wir kamen gut vorn, bis … ja bis es dann passierte. Wir hatten mit allem gerechnet. Ein Reifenplatzer, ein Fahrfehler, ein Schlagloch, ja sogar mit dem Einschlafen. All das ist nicht passiert. Doch plötzlich schießt dieses Reh quer über die Straße. Aus der Dunkelheit in meinen Lichtkegel und direkt in mein Vorderrad. Wir befanden uns gerade auf einer kurzen Abfahrt und waren deshalb auch nicht ganz langsam, als die Kollision meinen Lenker herumries und ich in hohem Boden auf die Straße stürzte. Der Kopf landete zuerst, der Helm sprang in Stücke, dann folgte der restliche Aufprall. Alles ging rasend schnell. Ich nahm nur noch wahr das sich alles drehte und ich plötzlich vor Schmerzen aufschrie. Das war`s dann wohl! Philipp, der knapp hinter mir fuhr, konnte glücklicher Weise verhindern auch noch zu stürzen. Später berichtet er mir er habe noch nie einen solch dramatischen Sturz gesehen und befürchtet, dass damit zumindest diese Fahrt für mich hier ein Ende gefunden hatte.

Nach einigem Jammern und Zedern war klar, dass der Sturz schlimmer ausgesehen hat als die Folgen wirklich waren. Ich hatte offenbar (mal wieder) meinen Schutzengel ganz nah bei mir. Am Rad war nicht viel passiert. Nur das Schalten der drei niedrigsten Gänge war nicht mehr möglich. Lästig, anstrengend aber kein Grund die Weiterfahrt nicht anzugehen. Etwas schwieriger war es mit dem Atmen. Durch den Aufschlag hatte ich mir die Rippen geprellt und wie spätere Untersuchungen zu Tage förderten eine Rippe wohl gebrochen.

Also beschlossen wir uns die Fahrt fortzusetzen. Die Abfahrten gingen wir jetzt etwas vorsichtiger an und bei den Auffahrten war ich wegen Atemnot dann ohnehin langsam. Die restliche Nacht verlief ruhig und bis auf kleinste Feuchteinlagen auch Regenfrei. Leider war es zu bewölkt um den Sonnenaufgang, dem wir ja genau entgegenfuhren, wirklich genießen zu können. Trotzdem war es irgendwann hell und wir in Saarlouis im schönen Saarland angekommen. Dort plünderten wir eine 24-h-Stunden Tanke und erwarteten Claas und Doro. Als Doro mich fragte ob ich denn weiter fahren wolle/könne, fiel es mir richtig schwer das Angebot mit dem VW-Bus gemütlich heim zu fahren auszuschlagen. Noch hatten wir ca. 150 km vor uns und ich schon 2 Stunden schmerzhaftes Atmen hinter mir. Aber als die Schürfwunden fachgerecht abgedeckt und eine Ibu mich etwas betäubt hatte, war das Weiterfahren die richtige Entscheidung. Also erneut Kleiderwechsel, Essen und Trinken aufladen und weiter ging`s. Die 400er Marke war jetzt recht nah. Philipp war zu diesem Zeitpunkt von Schlafmangel schon recht heftig gezeichnet erholte sich später dann aber wieder. Florian zeigte keinerlei Einbruch. Thomas erzählte irgendetwas von „der letzten Rille“ und ich hatte eben Schmerzen. So ist das wenn man Neuland betritt!

Über Bexbach ging es Richtung K-Town vom Saarland nach Rheinland-Pfalz. Mittlerweile war sogar die Sonne am Himmel und die restliche Strecke kannte ich auswendig. Die 400er Marke lag hinter uns und die Leistungsunterschiede waren offenbar. Deshalb entschieden wir den Rest in zwei Zweiergruppen zu fahren. Phlipp und Florian ließen es auf dem letzten Metern noch einmal krachen und ich rollte mit Thomas beharrlich und gemütlich dem Ziel entgegen. Pünktlich um 14:00 Uhr fielen wir dann in die Arme von Yvonne Schäfer. Sie hatte es sich nicht nehmen lassen uns am Wasserturm in Empfang zu nehmen. Kurze Zeit später kamen auch Doro und Claas sowie Daniela und Michael. Ein wunderbarer Moment. 28 sehr erlebnisreiche Stunden, eine herrliche Strecke und tausend Eindrücke lagen hinter uns und wir bald zuhause auf der Couch. Man muss so etwas nicht machen, aber man kann es tun. Wir haben es getan und es war großartig!

Zuletzt aktualisiert am Montag, den 10. Juli 2017 um 17:25 Uhr