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Erlebnisbericht - Ötztaler von unserm Chefe Jan! PDF Druckbutton anzeigen? E-Mail
Geschrieben von: Beate Ambacher   
Prolog - August 2013
Das war er also, mein erster Ötztaler Radmarathon 2013. Nach knapp unter 10 Stunden war alles vorbei und bei nass kaltem Wetter lagen 4 Pässe hinter mir. Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass das ganze Ding noch schneller gehen muss. Das muss einfach unter 9 Stunden machbar sein. Wenn nur das Wetter mitspielt und auch sonst alles passt.
Nun sind wir also wieder hier in Sölden gelandet - wir das sind Carolyn, Andi E. und ich - um uns dieses Jahr am Ötztaler zu versuchen. Carolyn und ich waren als Wiederholungstäter am Start, für Andi war es die erste Teilnahme. Leider hat sich die Wettervorhersage meines 100 jährigen Bauernkalenders etwas vertan und seit der Anreise am Donnerstag ist regnet es. Samstag mittag ist meine Laune am absoluten Tiefpunkt und wäre ich mit dem eigenen Auto da ich wäre hier und jetzt wieder abgereist. Das Einzige was ein wenig tröstet ist der etwas bessere Wetterbericht für den Renntag am Sonntag.
 
Sonntag - Renntag
Kurz nach halb sieben stehen wir in der Startauftstellung. Um 06:45 fällt der Startschuss und ich glaube es war zumindest von oben trocken. Auf der rasanten Abfahrt nach Ötz erwische ich ein gutes Hinterrad und die ein oder andere Gruppe. So kann ich mich schon in der Abfahrt durch das Feld nach vorne schieben. Carolyn und Andi hatte ich bereits nach dem Start verloren - beide wollten schließlich auch ihr eigenes Tempo fahren.

Unten im Kreisverkehr geht es rechts rauf in die Auffahrt zum Kühtai. Jetzt wurde es so "warm", dass ich zum ersten (und letzten) mal die Weste auszog und sogar - verwegen - die Armlinge runterkrempelte. Das sollte den Rest des Tages nicht mehr passieren. In der Auffahrt erwische ich erneut ein gutes Hinterrad. Mein Tipp an alle ohne Wattmesser: sucht euch ein Rad mit Wattmesser und folgt ihm - meistens ist das ein Garant für konstantes Fahren. Oben am Pass hat es dann wieder geregnet also schnell alles angezogen was ich dabei hatte - Windweste & Armlinge - und auf in die rasante Abfahrt. Nach den ersten Metern habe ich ein Dejavu: 2013 war es ähnlich nass. Ich beschließe dieses Jahr nicht wieder so viel Zeit zu verlieren und denke mir: wenn die anderen heil durch die Kurven kommen dann schaffst du das auch. Auch die Idee aufzugeben kommt mir nicht in den Sinn weiß ich doch von 2013, dass es spätestens in der Auffahrt zum Brenner wieder "warm" wird. Die anderen um mich rum sehen auch ein bisschen verfroren aus. Also ignorieren wir die zitternden Arme, den vor Kälte verspannten Rücken und die blauen Lippen und ab nach Insbruck.
 
Wichtig auf dem Weg zum Brenner: eine gute Gruppe finden und nicht alleine auf die Reise gehen. Gesagt getan. Noch bevor wir in Insbruck sind hat  sich eine Gruppe von 20 Leuten gefunden und ich halte mich beständig hinten und rolle mehr oder weniger entspannt mit. In Insbruck die erste mittlere Katastrophe: Meine Kontaktlinse verabschiedet sich. Noch habe ich ja die anderen 50% korrigiert also Augen zu und durch. Geht auch so. Mittlerweile ist die Gruppe auf gut 50 Mann angewachsen und wir fliegen erst durch Insbruck und dann den Brenner rauf. Mit seinen 700hm auf 30km ist er eher ein Hügel und so wundert es nicht, dass wir die Strecke mit einem 31er Schnitt absolvieren.
 
Am Brenner lasse ich auch die zweite Verpflegung (oder Labestation wie der Österreicher sagt) rechts liegen, mache die Windweste zu und ab geht es in die zweite Abfahrt des Tages nach Sterzing. Am Brenner bin ich noch immer gut 30min vor meiner geplanten Zeit. Also alles im Lot. Angekommen in Sterzing folgt der Anstieg zum Jaufenpass. Den hatte ich mir im Sommer schon mal angesehen und wusste was mich erwartet. Schöner wird er trotzdem nicht. Kurz: ich hasse den Jaufenpass. Am Jaufenpass merke ich, dass ich aus meinem Plan laufe und die Beine nicht mehr so recht wollen. Das einzig positive an diesem Pass: Andi und ich hatten am Jaufenpass Kleidung deponiert (langes Trikot, Regenjacke & lange Handschuhe). Also fange ich an zu überlegen ob ich anhalte und mich ausstatte. An der Verfplegung angekommen habe ich entschieden, dass meine bisherige Bekleidung völlig ausreichend war und daher lasse ich alles wo es ist und gehe auf die nächste Abfahrt. Später erfahre ich von Andi, dass er an seinem Beutel "veobeigefahren" ist und auch ohne die Versorgung weiter musste.
 
Die Abfahrt vom Jaufenpass ist im trockenen schon bescheiden, jetzt war die Straße nass. Naja egal wirst schon runter kommen. Angekommen am Fuß in St. Leonhard schimpfe ich wie ein Rohrspatz. Auf die Frage was los sei antworte ich nur: "Eigentlich brauche ich jetzt einen Blindenhund". Was war passiert: Kurz nach Begin der Abfahrt hat sich auch die zweite Kontaktlinse verabschiedet. Also kam zur kaputten & nassen Fahrbahn, einer verdreckten Brille noch eine leichte Kurzsichtigkeit dazu. Vielleicht ist es manchmal gar nicht so schlecht wenn man nicht so genau sieht was vor einem los ist. Egal ich war heil unten angekommen und jetzt sollte es ohnehin erstmal nur noch bergauf gehen. Und zwar für die nächsten 30km und geplant etwas mehr als 2 Stunden.
Würde ich die 30km in genau 2 Stunden schaffen wäre ich im Plan. Allerdings war mir klar, dass das nichts mehr wird und ich stellte mich schon auf eine Gesamtzeit von etwa 09:30 ein. Aber jetzt erstmal bergauf. Jetzt konnte ich die Verpflegung in Schönau gar nicht mehr abwarten. Nach einem kurzen Stop gleich weiter und die letzte Stunde in Richtung Passhöhe. Dann der letzte Tunnel und der Blick auf die Uhr. Ich war an der Passhöhe ca. 5min hinter meinem Plan. Ich wusste es kommt eine nasse Abfahrt, der Gegenanstieg zur Mautstation sowie die Abfahrt nach Sölden. Kurz überlegt und ab mit Risiko in die Abfahrt trotz nasser Fahrbahn und zitrigen Händen.

An der Mautstation wieder der Blick auf die Uhr und die geplanten Zeiten: Tacho 08:34 - Plan 08:33. 2013 hatte ich mir auf der letzen Abfahrt die sub 10 unter anderem hier gesichert - damals war die Straße trocken und ich hatte noch 100% auf beiden Augen. Jetzt war es 2018, die letzte trockene Straße hatte ich am Donnerstag in Mannheim gesehen und ich war seit St. Leonhard im Blindflug unterwegs. Also was tun? Ich entscheide es zu versuchen und auf der Abfahrt nochmal Gas zu geben. Plötzlich ist zumindest auf den ersten km sogar die Straße trocken, also ab geht es nach Sölden. Unten wird es dann wieder nass und als das Gefälle zu Ende ist gibt es kein Halten mehr - Kette rechts und gib ihm. Zum Glück bin ich wieder nicht alleine und es findet sich eine Gruppe von 5 Leuten und gemeinsam drücken wir wie die Bekloppten in Richtung Sölden. Dann die Kurve am Krankenhaus und der Blick auf die Uhr 08:50 - jetzt  nichts riskieren - die Gruppe läuft also drücken wir weiter als ginge es um einen Etappensieg bei der Tour. Auch als bei 1000m erst 08:52 auf der Uhr stehen und langsam klar wird, dass es unter 9 Stunden bleibt geht es im vollen Galopp weiter.
Bei 08:55:17 bleibt für mich 2018 die Uhr stehen.
 
Ab unter die Dusche und aufwärmen. Nach 12:15 kommt auch Andi verfroren aber glücklich ins Ziel und hat seine erste Teilnahme am Ötztaler Radmarathon gleich erfolgreich beendet.
Carolyn hatte da bereits beschlossen das Rennen nicht zu Ende zu fahren und war noch im Anstieg zum Timmelsjoch an der Labestation Schönau nach 10 Stunden 25 eingekehrt. Was ihr immerhin am Montag eine trockene Abfahrt bei Sonnenschein bescheren sollte.
 
Epilog
Ötztaler unter 9 Stunden ist machbar auch wenn die Bedingungen 2018 sicher nicht optimal waren. Was ich sicher mitnehme ist die Erkenntnis, dass Kälte und Nässe immer auch so schlimm sind wie man sie sich einredet. Wenn man erstmal in kurzer Hose, kurzem Trikot, Armling & Weste unterwegs ist und schlicht keine weiteren Optionen hat, dann muss man es halt irgendwie aushalten - und es geht auch (irgendwie).
Würde ich das Rennen nochmal angehen? Sicher nicht um meine Zeit noch zu verbessern - dazu habe ich einfach keine Lust nochmal so viel Zeit in das Trainig zu investieren um eine realistische Chance zu haben noch schneller zu sein (nur umm dann wieder bei Regen verfroren bergab zu fahren). Vielleicht etwas entspannter als Begleitung eines Ötztaler Neulings, dann gibt es vielleicht Gelegenheit das Rennen und alles drum herum etwas mehr wahrzunehmen und auch den ein oder anderen Stop an einer Labestation einzulegen.
 
Bei der Abreise am Montag schien dann übrigens bei strahlend blauem Himmel die Sonne. Vielleicht hat der 100 jährige Bauernkalender die Schaltjahre falsch berechnet ....
Zuletzt aktualisiert am Montag, den 10. September 2018 um 08:45 Uhr